Nach einem kältebedingten Abbruch der Begehung des "Neuen Innerkoflersteigs" am 4. Dezember 2016, es waren gemessene -3°C am Wandfuß, veröffentlichte ich auf meiner Internetseite Fotos der eindrucksvollen Winterlandschaft an der Hohen Wand. Der Steig war gerade erst aus seinem fast einhundert Jahre langem Schlaf gerissen worden und die erste Seillänge noch dementsprechend erdig bzw. brüchig. Recht alpin halt, wie der Autor der Routenbeschreibung korrekter Weise darauf hinwies und ich gab recht großzügig meinen Senf dazu in dem ich die Begehung als "... heikle Tanzerei durch die Wand um Steinschlag oder den Abflug zu vermeiden ..." bezeichnete.
Normalerweise wären meine Äußerungen konsequenzlos geblieben, da man meine Bemerkungen als die eines typischen Hallenkletterers in den Wind geschlagen hätte. In diesem Fall wurde ich aber recht prompt vom Routensanierer Andi Baumgartner selbst kontaktiert, der mir eine sehr freundlich Mail schrieb um sich für den vermeintlich schlechten Zustand der Route zu entschuldigen. Nach meinem Begehungsbericht habe er seine Putzpläne für das Frühjahr vorgezogen und wäre sofort zum Innerkoflersteig geeilt um den vermeintlichen Bruch und überschüssige Erde aus der ersten Seillänge zu entfernen.
Unzweifelhaft war mir die Situation sehr peinlich und ich versicherte Andi dass der Abbruch der Begehung aufgrund der niederen Temperaturen an diesem Tag stattfand und nicht wegen dem Zustand der Route. Nach einigen Tagen der regen Kommunikation kam(en) er/wir zu dem Schluss dass ich mich vielleicht einmal durch einen Haufen Dreck, Bruch und Vegetation graben sollte um mich mit der großen Kunst der Routensanierung vertraut zu machen, aber auch mit der Einsamkeit die in der Wand damit einher geht. Dreckig sollte es werden, aber so einsam war es dann vielleicht doch nicht ...
Es sollte dann noch einmal fast ein Jahr dauern bis sich Andi mit dem Plan den Herbertsteig am Weningerturm zu sanieren wieder meldete. Er war bis dahin mit seinem Debütprojekt "Via Angelika" nahe dem Innerkoflersteig voll ausgelastet und ich durfte mich als einer der ersten Begeher der wirklich tollen Route von Andi´s mühevoller Putzarbeit überzeugen. Am Freitag den 10. November 2017 war es dann soweit, ich traf Andi das erste Mal in-personam und wir machten uns auf den Weg nach Grünbach zum Seiser Toni um über den Holzknechtsteig auf den Weningerturm zu gelangen. Nachdem wir den ersten Abseilstand gebohrt hatten, erkundeten wir zunächst das Gelände und die Wegführung des ursprünglichen Herbertsteiges. Schon beim Abseilen in der letzten Seillänge wurde uns klar in welch furchtbarem Zustand dieser Wandteil des Weningerturmes war. Neben den üppig wachsenden Graspolstern ragten Kühlschrank große, lose Felstürme aus der Wand, bereit bei unvorsichtiger Berührung durch Mensch oder Seil in die Tiefe zu stürzen und dort alles zu zerfetzen was unglücklicher Weise gerade zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wäre. Eigentlich ein Wunder das in dieser Ecke nie Menschen zu Schaden gekommen sind, mehr oder weniger autonomen Steinschlag gab es nach näherer Betrachtung des Wandfußes offensichtlich genug. Trotz alledem konnte man ein gewisses Potenzial in der Felsqualität erkennen. Gut unter Bruch und Gras versteckt schlummerte wasserzerfressener, kompakter Kalk. Eine paar alte verrostete Schlaghaken zierten, versteckt in der Vegetation, die Wand, gerade gut genug um lose Nervenstränge zu verstärken aber sicherlich nicht ausreichend um es mit einem Vorstiegsturz aufzunehmen. Das Selbe galt wohl auch für die Schlaghakenstände.
Nach einer groben Sichtung der Route und dem Einrichten von fünf Abseilständen wussten wir in etwa wo wir mit der Säuberung beginnen mussten um uns nicht selber irgendwann durch Felsschlag aus der Wand zu entfernen. Natürlich legten wir nicht nur großen Wert auf unsere Sicherheit sondern auch auf die der Wanderer und Kletterer die eventuell am Wandfußsteig entlang kamen. So wurde von uns der Wandfußsteig immer weiträumig abgesperrt und mit Warnschildern versehen die vor Felsschlag warnten. Wir putzten immer unter der Woche und koordinierten mit Boden-Wand Funkkontakt den Abwurf manch mörderischer Brocken.
Es verging dann wieder ein Monat Zeit bis wir am 18. Dezember 2017 zur ersten Putzaktion auf den Weningerturm zurückkehrten. Diesmal hatte der Winter bereits sein weißes Kleid über der Hohen Wand ausgebreitet und damit wurde der, normalerweise triviale, Anstieg auf den Weningerturm über den Holzknechtsteig fast ein bisschen fordernd. Auf dem Turm und in der Querung zum obersten Standplatz nahmen wir mit großer Freude das Stahlseil des ÖGV Klettersteigs zur Sicherung an um im verschneiten Gelände nicht einen Schnellabstieg zum Wandfuß zu absolvieren.
An diesem Tag wurde einiges an losem Material vor allem aus dem Headwallbereich entfernt und Plateaus vom herumliegenden Felsschrott befreit um nicht versehentlich an den Ständen Steinschlag auszulösen. Leider war Andi dann aus persönlichen Gründen gezwungen für fast ein halbes Jahr auszusetzen und damit war das das vorläufige Ende des Abenteuers.
Im Frühling 2018 begannen dann wieder die Blümlein zu sprießen und am 9. Mai. war Andi wieder hochmotiviert zurück um dem Herbertsteig endgültig den Zahn der Zeit zu reißen. Wir verlegten Fixseile um mit Steigklemmen schneller im Steig auf- und absteigen zu können und entfernten wie Maulwürfe Tonnen an Erdreich und Vegetation aus den einzelnen Seillängen. Die Thermik an der Wand tat dabei ihr Bestes um abgegrabenes Erdreich um uns herum als Staubwolke an der Wand zu halten so dass das Atmen zur Qual wurde und trotz Schutzbrillen die Augen am Ende des Tages vom Erdreich verklebt waren. Faszinierend wo man nach so einer Putzaktion den Staub am und im Körper findet. Wir kamen dann noch einige Male an die Wand um so viel aus der Wand zu räumen wie möglich. Eine wirkliche Sisyphusarbeit, man gräbt endlos scheinende Erdbereiche aus um dann alles weiter unten in der Route als feine Staubauflage wieder zu finden. Mit dem Klemmkeilentferner holten wir Erde und kleine, hartnäckige Spezialisten der Flora aus Felstaschen die irgendwann in der Route als Griffe oder Klemmstellen herhalten können nur um nach den nächsten Regenfällen genau diese Stellen wieder ausräumen zu müssen.
Doch schließlich war es dann soweit, nachdem der klassische Herbertsteig mit neuen Haken versehen war stand am 26. Mai 2018 die Erstbegehung an. Gemäß der Bitte zukünftigen Begehern die Möglichkeit zu bieten den Steig mit mobilen Sicherungsmitteln zusätzlich abzusichern hatten wir Wert darauf gelegt die Originallinie nicht zu dicht mit Haken zu versehen, so stecken nun in der gesamten Originallinie 13 Bohrhaken (exklusive Standplatzhaken). Dazu haben wir, neben einem neuen Einstieg, eine neue Linienführung eingerichtet die erlaubt die Originallinie entweder gut abgesichert an Bohrhaken zu begehen oder, je nachdem wo die Möglichkeit besteht, jede Menge an mobilen Sicherungsmitteln zu verarbeiten. Je nach Klettervariante ergibt sich dabei ein maximaler Schweregrad von 4+ bis 5-. Für extreme Klemmfreunde existiert nun auch ein schöner, traditioneller 3+ Einstieg als erste Seillänge und in der 2. Seillänge eine Rissverschneidung im 6+ Grad die beide ohne Haken belassen wurden.
Für Sportkletterer die es ein bisschen knackiger brauchen wurden ebenfalls neue Längen eingerichtet. Die 2.,3.,4. und 5. Seillänge können nun auf teils wunderschönem Plattenkalk in fast eigenständiger Linie bis zu eine Schweregrad von 7- geklettert werden. Diese Linie wurde von Andi und mir am 5. Juni Rotpunkt erstbegangen und hat neben genussreichem Klettern auch ein paar gefinkelte Stellen zu bieten. Ich bin mir sicher dass die Tour neben der sanierten klassischen und den traditionellen Varianten eine große Bereicherung am Weningerturm darstellt. Natürlich sind die Touren stellenweise noch ein bisschen erdig bzw. splittrig, das wir sich aber hoffentlich nach einigen Begehungen ändern. Selbstverständlich würden wir uns über zahlreiche Begehungen aller Varianten und natürlich auch über konstruktive Kritik freuen.
Da sich der Abstieg vom Weningerturm ein bisschen umständlich gestaltet und das Abseilen über die Headwall nachkommende Seilschaften durch Felsschlag gefährdet wird in naher Zukunft eine Abseilpiste eingerichtet die über 2x50m abseilen zum Einstieg des Holzknechtsteigs zurückführt. Damit können aufeinanderfolgend auch weitere Linien am Weningerturm schnell und sicher erreicht werden, was wohl zum Klettervergnügen stark beitragen wird. Am massiven Steinschlag der durch die Begehung des ÖGV Klettersteig verursacht wird konnten wir leider nichts ändern und die Begehung der Route "Heimaterde" wird damit leider immer eine riskante Sache bleiben.
Final muss ich Andi für die großartige Erfahrung und die aufregende Zeit in der Wand danken die mein Universum wieder um ein paar Facetten erweitert und bereichert hat. Natürlich hat mich die Sanierung dazu motiviert vielleicht auch einmal einsam und dreckig in einer Route zu hängen um mir selber und anderen Menschen die unsere Passion teilen eine Route zu schenken. Auf jeden Fall sehe ich heute die Arbeit und das Herzblut die in einer Route stecken aus neuem, respektvollerem Blickwinkel, also seid das nächste Mal gnädig wenn Ihr, liebe Kletterkollegen, einmal nicht die perfekt geputzte Route vor Euch habt.
Herbertsteig Eckpunkte:
Erstbegehung 1926 von Franz und Herbert Kleinhans, wieder ausgegraben, saniert und um Varianten erweitert 2017-2018, von Andi Baumgartner & Sigurd Krieger.
Verfügbare Varianten: 5 Seillängen, ca. 130 Klettermeter
Herbertsteig 5-, rot markiert, klassiche Tour, BH + KK / Friends
Wilder Herbert 7-, blau markiert, Sportklettervariante, BH
Herberts Freunde 6+, gelb markiert, traditionelle Variante, nur KK / Friends
Hier zur -> TOPO
Hier zur Foto Safari -> Sanierungs Fotos
Die BH für diese Projekt wurden dankenswerterweise vom ÖAV, Sektion Gebirgsverein finanziert.